Die Welt ist klein

Small World, der erste Roman von Martin Suter, beginnt mit einem Satz, der vieles vorwegnimmt und die Neugierde des Lesers entfacht: “Als Konrad Lang zurückkam, stand alles in Flammen, außer dem Holz im Kamin.”

Lang, der eine Villa auf Korfu für die Industriellenfamilie Koch verwaltet, ist ein gebildeter, feinfühliger Mensch, protegiert von den Kochs und verstoßen, nachdem sich das Haus in Griechenland buchstäblich in Rauch auflöst. Er wird zurück in die Schweiz beordert von seiner Ziehmutter Elvira Senn, die das Koch-Imperium zwar an ihren Sohn Thomas übergeben hat, jedoch immer noch die Fäden fest in der Hand hält.

Thomas und Konrad sind also gemeinsam aufgewachsen und Anna, Konrads Mutter, die sich im zweiten Weltkrieg in einen Soldaten verliebte, unauffindbar. Koni stand immer in Tomis Schatten, musste mit ihm Schulen wechseln und für ihn Schmiere stehen, reisen und Klavier spielen lernen. Konrad will zur Familie gehören, doch die Kochs belächeln den mittlerweile über sechzigjährigen Mann und halten ihn auf Abstand. Doch warum bekommt er weiter Taschengeld?

Konrad wird zum Alkoholiker – aber etwas zu viel getrunken hat er ja immer schon – und so fällt es anfangs nicht weiter auf, dass er mal die Brieftasche im Kühlschrank liegen lässt oder nach einem Einkauf nicht mehr nach Hause findet. Seiner Freundin Rosemarie zuliebe hört er auf zu trinken, doch die Ausfälle werden nicht weniger. Die Diagnose: Alzheimer. Der Fortschritt der Krankheit beunruhigt Elvira, denn Konis Gedächtnis geht immer mehr in die verfestigten Strukturen der Vergangenheit zurück – und dort liegen all die Antworten auf die Fragen: Wer ist Tomikoni? Und wer Konitomi? Warum unterscheidet Konrad zwischen Mama Vira und Mama Anna? Warum fürchtet er sich vor der Dunkelheit und vor Nadelstichen?

Suter hat mit Small World einen Roman geschaffen, der einfühlsam und liebevoll eine Krankheit beschreibt, die den Leser mit Koni in die Vergangenheit reisen lässt. Gut recherchiert und erklärend bringt Alzheimer hier Licht ins Dunkel des Vergessens. Der Autor spielt mit dem Wissen des Rezipienten auf mehreren Ebenen durch Perspektivenwechsel und vermischt gekonnt die Genres: Small World ist nicht nur eine Familiensaga, sonder auch Kriminalroman und Gesellschaftssatire.

Suter, Martin: Small World. Diogenes Verlag AG Zürich: 1997
Taschenbuch
336 Seiten
erschienen am 01. März 1999
ISBN: 978-3-257-23088-8