Dicht, dichter, verdichtet.

Aufzeichnungen einer Tagediebin: Stefanie Sargnagel beschreibt die anarchischen Jugendjahre einer jungen Frau, die neugierig aufs Leben ist und nichts zu verlieren hat.

Stefanie Sargnagel erinnert uns in ihrem Coming-of-Age-Roman an das Wichtigste am Mensch-sein: Die anderen so zu nehmen, wie sie sind – mit Neugier und ohne ein Urteil zu fällen. Die Hauptfigur schmeißt sich in ihrer Jugend mit Leichtigkeit ins Leben, das für alle ProtagonistInnen schwer genug ist. Die Schule ist ein unkreativer, gewalttätiger Polizeistaat, ein System, aus dem man aussteigen muss: Zeichnen, Freunde, Abenteuer, Diskussionen – ganz klar, im Park und dunklen Bars findet das echte Leben statt. 

Die Autorin schafft hier einen bemerkenswerten Spagat zwischen existenzialistischer Erzählung und empathievollem Beschreiben des Alltags einer Jugendlichen, die in uns allen wohnt. Eine, die das System nicht packt und alles anders machen will. Sargnagel spürt für die LeserInnen hinein in die Hilflosigkeit, es nicht zu können. Noch nicht. Und da stellt sich die Frage, wer hier dicht ist: Alle Menschen in ihrer Welt oder die Welt selbst. Denn genau die Fragen, die Sargnagel stellt, können klarer nicht sein und die Welt hat noch immer keine Antworten gefunden.

Ein System wird hier in Frage gestellt, ein System, das auf Leistung beruht, das nicht hinterfragt werden darf. So schafft sie ihr eigenes, in dem jeder und jede seinen Platz hat, das menschlich ist und niemand zu laut oder zu schräg ist. Alles darf sein, nichts muss. Alle gehen ihren Weg und lassen ihn wachsen. Und mit ihnen wächst das Buch. Und das alles passiert mit einer Selbstverständlichkeit, die sich viele als Teenager gewünscht hätten.

Sargnagel, Stefanie: Dicht.
Rowohlt Verlag: Wien 2021
256 Seiten
ISBN: 978-3-499-27483-1